Dänische Ferienhausvermittlungen und die Covid-19-Pandemielage

Die von der Weltgesundheitsorganisation als Pandemie eingestufte Lungenkrankheit COVID-19 wirkt sich auf die menschliche Gesundheit, das soziale Leben sowie Wirtschafts- und Arbeitsverhältnisse aus. Die Covid-19-Pandemie führte im März 2020 u.a. innerhalb Europas zu Grenzschließungen. So beschloss auch die dänische Regierung, die Grenze zu Deutschland für Einreisende nach Dänemark zwecks touristischer Urlaubsaufenthalte zu schließen. Vielen deutschen Urlaubern und Urlauberinnen, die ein Ferienhaus in Dänemark für Urlaubsaufenthalte, u.a. zu Ostern oder Pfingsten, über dänische Ferienhausvermittlungen gebucht hatten, war es nun nicht mehr möglich die Landesgrenze nach Dänemark zu überqueren und sie konnten damit das gebuchte Ferienhaus nicht wie beabsichtigt nutzen.
In der Regel hatten die Urlauberinnen und Urlauber die Ferienhäuser bereits im Jahre 2019 gebucht und den Mietpreis bereits vor Antritt der geplanten Reise beglichen.
Unsere Rechtsanwaltskanzlei hat nun für eine beträchtliche Anzahl derart betroffener Mandantinnen und Mandanten die dänischen Ferienhausvermittlungen aufgefordert, die vorausgezahlten Mieten zurückzuerstatten, da die Ferienhausvermittlungen dieses unter Verweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht freiwillig tun. In mehreren Fällen konnten wir bereits mit Erfolg die Rückerstattung der gezahlten Mieten für unsere Mandantinnen und Mandanten erreichen.
Jedoch verweigern einige große Ferienhausvermittlungen nach wie vor die Rückerstattung und interpretieren sowohl dänisches Recht als auch ihre eigenen AGB zu Ungunsten der jeweils Mietenden. In den meisten Fällen gibt es gute Gründe diese Vorgehensweise nicht zu akzeptieren.
Schließlich tragen die Ferienhausvermittlungen überwiegend selbst vor, dass die Grenzschließungen einen Fall der höheren Gewalt darstellen. Wir teilen diese Auffassung. Von den Ferienhausvermittlungen wird jedoch weiter angenommen, dass die Kundinnen und Kunden ihre Buchung allein nach den Stornoregelungen der AGB stornieren können.
Diese Vorgehensweise führte indes dazu, dass für die Mietenden aufgrund hoher Stornogebühren ein großer Anteil oder sogar die gesamte vorab gezahlte Miete verloren ist. Das Risiko der seinerzeitigen Pandemielage wird also nahezu komplett auf die einzelnen Kunden und Kundinnen abgewälzt. Dieses ist unseres Erachtens zumeist nicht rechtens.
In diesen Fällen ist die Frage zu stellen, ob und wenn ja, welche AGB überhaupt Anwendung finden und ob die Stornoregelungen in diesen AGB tatsächlich ihrem Inhalt nach auch für die, meist an anderer Stelle der AGB geregelten Fälle von höherer Gewalt Anwendung finden. Es gibt u.a. eine dänische Ferienhausvermittlung, die ihre AGB im März 2020 zu Ungunsten der Mieter abgeändert hatte und die AGB aus dem Jahre 2019 nicht mehr öffentlich zugänglich macht. War das Ferienobjekt jedoch bereits im Jahre 2019 gebucht worden, so finden die AGB aus dem Jahre 2019 Anwendung und voraussichtlich nicht die AGB, die erst im Jahre 2020 erschienen sind.
Es gibt also gute Gründe, die AGB der Ferienhausvermittlungen von einem Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Es ist sehr gut möglich, dass die AGB zum Teil unwirksame Klauseln beinhalten oder sogar in Gänze gar nicht Anwendung finden.
Es ist auf jeden Fall zu klären, ob sich nicht vielmehr die Mietenden auf höhere Gewalt berufen können und ob nicht – unabhängig von den Grenzschließungen – das Corona-Virus selbst bzw. dessen Folgen (wie z.B. Quarantänemaßnahmen) als höhere Gewalt anzusehen sind und sich so auf die Möglichkeit der Einhaltung vertraglicher Pflichten auswirken.
Im dänischen Recht finden sich in mehreren Gesetzen Klauseln, die Fälle von höherer Gewalt regeln, so u.a. im dänischen Kaufgesetz, dem Seegesetz und dem Gesetz über Schuldbriefe. In der dänischen juristischen Fachliteratur wird hier von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die auch für andere Rechtsgebiete, wie das Mietrecht, gelten. So werden sich unter Umständen auch Mieter und Mieterinnen auf höhere Gewalt berufen können als Grund dafür, dass sie den Vertrag nicht erfüllen können.
Die Aufhebung von Verträgen im Falle des Vorliegens höherer Gewalt ist im internationalen Kaufrecht in der Wiener Kaufrechtskonvention (CISG) in Art. 79 geregelt. In Art. 81 CISG ist sodann festgelegt, dass Vorauszahlungen der Leistungen in solchen Fällen zurück zu erstatten sind.
So heißt es in Art. 79 Abs. 1 CISG:
Eine Partei hat für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.
Und in Art. 81 CISG ist folglich geregelt:
(1) Die Aufhebung des Vertrages befreit beide Parteien von ihren Vertragspflichten, mit Ausnahme etwaiger Schadenersatzpflichten. Die Aufhebung berührt nicht Bestimmungen des Vertrages über die Beilegung von Streitigkeiten oder sonstige Bestimmungen des Vertrages, welche die Rechte und Pflichten der Parteien nach Vertragsaufhebung regeln.
(2) Hat eine Partei den Vertrag ganz oder teilweise erfüllt, so kann sie ihre Leistung von der anderen Partei zurückfordern. Sind beide Parteien zur Rückgabe verpflichtet, so sind die Leistungen Zug um Zug zurückzugeben.
Zwar liegt bei der Anmietung eines Ferienhauses in Dänemark kein internationaler Kauf unter Geschäftsleuten vor, jedoch entsprechen die Regelungen in den Artikeln 79 und 81 CISG den allgemeinen Rechtsgrundsätzen im dänischen Recht.
Man wird sich also im Einzelfall die Frage stellen müssen, ob ein Verbraucher oder eine Verbraucherin, der/die ein Ferienhaus gemietet hat, es aber wegen geschlossener Grenzen oder anderer Folgen der Pandemie nicht nutzen kann, sich seinerseits/ihrerseits auf höhere Gewalt berufen kann. Es ist genau in den Blick zu nehmen, ob das Recht hierzu tatsächlich wirksam in den AGB der Ferienhausvermittlung ausgeschlossen worden ist und allein eine Verweisung auf die dortigen – ungünstigen – Stornierungsregelungen rechtlich zulässig ist.
Mit Urteil vom 23.11.21 gewinnt
die Kanzlei in einem „Covid-19“-Rücktrittsfall für einen Verbraucher ein
Verfahren vor dem Gericht in Hamburg Mitte gegen den Ferienhausanbieter
Dancenter. Der Kunde hatte im Juni 2020 ein Ferienhaus in Dänemark für den
Zeitraum 03.04.-17.04.2021 gebucht. Der gesamte Mietpreis wurde vorausgezahlt.
Zum Reisezeitpunkt im April 2021 war die Einreise für den Kläger mit Wohnsitz
in Schleswig-Holstein sogar möglich. Es bestand jedoch eine Testpflicht. Nach
dänischen Recht bestand zudem eine zehntägige Pflicht zur häuslichen
Absonderung, die frühestens mit einem PCR-Test am vierten Tag hätte beendet
werden können. Nach Rückreise wäre der Kläger verpflichtet gewesen, in
Quarantäne zu gehen. Der Kläger erklärte am 26.03.2021 den Rücktritt vom
Vertrag.
Das Gericht in Hamburg Mitte
stellte in seinem Urteil vom 23. November 2021 den Rückforderungsanspruch auf
die volle Miete fest, obgleich also die Buchung des Ferienhauses selbst zu
Pandemiezeiten im Juni 2020 erfolgt war (die Pandemie und die Risiken waren
bekannt).
Das Gericht begründete den
Anspruch wie folgt: Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Miete zu,
weil die Voraussetzungen hierfür in den AGB der Beklagten vorlagen. So heißt es
des Weiteren: „Danach besteht ein Kündigungsrecht, wenn der Aufenthalt infolge
bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer, außergewöhnlicher und
unvermeidbarer Umstände, wie zum Beispiel Epidemien erheblich erschwert,
gefährdet oder beeinträchtigt ist. Nach Ansicht des Gerichts liegt offenkundig
eine Erschwerung beziehungsweise Beeinträchtigung eines zehntägigen Urlaubs
vor, wenn zunächst mehrere Tage das Ferienhaus nicht verlassen werden darf,
kostenpflichtige PCR-Tests absolviert werden müssen und nach Rückkehr in die
Heimat erneut eine Quarantänepflicht gilt. Die Beschränkungen im Jahre 2021
waren zum Zeitpunkt der Buchung (11. Juni 2020, d.h. nach Ausbruch der Pandemie
im März 2020) nicht vorhersehbar. Vielmehr war der Verlauf der Pandemie völlig
offen. Eine Vorhersehbarkeit erfordert eine größere Gewissheit als eine offene
Situation. Es dürfte sogar im Juni 2020 eher nicht die Befürchtung bestanden
haben, es würde im April 2021 zu gravierenden Reisebeschränkungen kommen. Der
erste Lockdown war im Mai 2020 gerade aufgehoben. Der tägliche
Situationsbericht des RKI vom 11. Juni 2020 nannte „weiter rückläufige“ Zahlen
und eine Inzidenz von 2,9.“
ARTKEL ZUM THEMA in „Der Nordschleswiger“:
CORONAVIRUS – Enttäuschte Mieter gehen gegen Ferienhausanbieter vor
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